
Beweggründe für die Archive des Widerstands
Archive sind eine Quelle für dominante Erzählungen bzw. ihrer Aufbewahrung, das materielle Festhalten und Aufrechterhalten von/an Machtstrukturen und potenziell ein Instrument der Kontrolle. (Mehrfach) marginalisierte Perspektiven und Lebensrealitäten finden sich nicht oder nur an den Rändern dieser Wissensräume wieder. Um anderen Geschichten zu begegnen – den queeren, behinderten, rassifizierten, nicht-binären, armen, vulnerabilisierten – und um Momente des Widerstands auszumachen, muss oft in den Lücken, Falten und Fußnoten gesucht & gegen das Archiv gelesen werden. Wie ist ein Widerständiges Archiv(ieren) möglich, das vor Vielheit und Differenz überschäumt, wo Unterschiedlichste Arten zu sein, imaginiert und ausprobiert werden, wo Überfluss statt Mangel herrscht?
Die Initiative für Solidarität am Theater setzt sich zusammen aus kritischen Theaterpraktiker*innen & Verbündeten. Im Projekt “Archivierung als Widerständige Praxis” wollen die Beteiligten ein lebendiges Archiv des Widerstands erschaffen.
Wichtig ist für uns ein multidimensionaler Ansatz. Wir stellen uns die Frage, wie das/ein Archiv zugänglich(er) werden kann. Verweisen wollen wir auf bereits bestehende Archive aus der Bewegungsgeschichte marginalisierter Gruppen, aber auch auf bestehende Lücken und Konflikte, die dazu geführt haben, dass Communities keine Bündnisse (mehr) bilden. In unserer Arbeit wollen wir eine intersektional-queerfeministische Archivpraxis etablieren/fortführen, die mit Strategien des Dezentrierens von dominanten Erzählungen und dem Zentrieren von marginalisiertem Wissen arbeitet.
Im Rahmen einer 2-tägigen barrierereduzierten Zusammenkunft im Ballhaus Ost bringen wir das Archiv in den Theaterraum und laden dazu ein, künstlerisch auf das Archiv zu reagieren, und ermöglichen dem Publikum eine Begegnung mit den Archivinhalten. Neben Performances sind auch musikalische, literarische und filmische Beiträge geplant.
Gerade in Zeiten, in denen kritische Kulturpraxis zur Zielscheibe reaktionärer Politik wird und marginalisierte Gruppen gegeneinander ausgespielt werden, auch hinsichtlich drohender Mittelkürzungen, scheint es uns wichtig, intersektionale Bündnisse zu vertiefen und auf vorangegangene Kämpfe zu verweisen, als Quelle von Inspiration und Ermutigung. Bei Wahlen zeichnet sich ein deutlicher Rechtsruck ab, es werden vermehrt Botschaften rechtsextremer Bewegungen und Übergriffe gemeldet. Die Wahlergebnisse scheinen für sie eine Legitimation für demokratie- und verfassungsfeindliches Engagement zu sein. Das ist für uns nicht annehmbar und das Jubiläum zum 80. Jahrestag der Befreiung scheint ein guter Moment zu sein, um deutlich zu machen, dass wir uns politisch und gesellschaftlich zur Wehr setzen!
Wir arbeiten mit einem umfassenden Barrierefreiheitskonzept, wissen aber, dass wir damit gesellschaftliche Strukturen nicht auflösen bzw. auch Bedarfe sich widersprechen können. Dieser Tatsache wollen wir mit einem bedarfsorientierten Ansatz begegnen. Wir planen: Audiodeskription für blindes und sehbehindertes Publikum, DGS-Verdolmetschung am Freitag, 12.12., sowie zusätzlich Texte in Einfacher Sprache.
Wir arbeiten dazu mit Expert*innen, mit denen eine Arbeitsbeziehung und geteilte intersektionale Praxis besteht. Außerdem bieten wir alternative Sitzmöglichkeiten (z.B. Sitzsäcke) und ein Hygienekonzept mit Coronatests und Masken. Wir achten auf eine relaxte Atmosphäre bei den Veranstaltungen und bieten Werkzeuge wie Stim Toys an, geben aber auch sensorische Hinweise und Rückzugsmöglichkeiten. Das Ballhaus Ost ist nur teilweise barrierearm zugänglich, daher nutzen wir nur die ebenerdigen Räume und schaffen durch den Abbau der Tribüne Bewegungsraum.

